Livyatan melvillei, ein fossiler Pottwal mit 36 cm grossen Zähnen

9. Oktober 2010 von Bettina Wurche · Keine Kommentare

„Leviathan … auf Erden ist nicht seinesgleichen…“ steht in der Bibel geschrieben.
Leviathan ist das biblische Seeungeheuer und Herman Melville hat mit seinem epochalen Werk „Moby Dick“ den Pottwal literarisch verewigt.

Livyatan melvillei … auf Erden ist nicht seinesgleichen

Livyatan melvillei: ein großer Name für ein großartiges Fossil.
Olivier Lambert
beschreibt diesen fossilen Pottwal von epochalen Ausmaßen in der letzten Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Nature“.Ein etwa 12 Millionen Jahre alter Pottwal mit Zähnen im Ober- und Unterkiefer, die bis zu 36 cm lang waren!
Größere Zähne sind von keinem fossilen oder lebenden Wal jemals gefunden worden.
Leviathans
Schädel ist zu fast 75 % vollständig. Der Schädel ist etwa 3 m lang und 1,90 m breit und sieht auf den ersten Blick aus wie eine Mischung aus Pottwal- und Orca-Schädel.

Die detaillierte Untersuchung ergibt allerdings eindeutige Pottwal-Merkmale, so dass Livyatan absolut sicher zu den Pottwalen gehört.
Sein Schädel hat ein tiefes „Bassin“ auf dem Oberkiefer, in dem sehr wahrscheinlich eine sehr große „Melone“ lag. Die Melone ist die akustische Linse im Stirnbereich der Zahnwale zur Fokussierung der abgegebenen Geräusche.
Pottwale haben eine Sonderform der Melone, das Spermaceti-Organ.

Dem Schädelaufbau nach zu urteilen hatte dieser fossile Pottwal noch kein solch spezialisiertes Spermaceti-Organ wie seine heutigen Verwandten.
Livyatan melvielli
hat sicherlich anders gelebt und gejagt als seine heutigen Verwandten.
Seine Zähne und Kiefer erzählen dem kundigen Walforscher, dass er sehr kraftvoll zubeißen konnte und sicherlich auch größere Beute wie Bartenwale gejagt haben dürfte.
Für den ganzen Urwal wird eine Länge zwischen 13,5 und 17,5 m rekonstruiert.

Pottwale und Schwertwale: Top-Jäger in unseren Meeren

Die Zähne heutiger Pottwale sind die größten im Tierreich: bei alten Bullen werden sie bis zu 26 cm lang.Diese größten Zahnwale haben im Unterkiefer 26 Paar Zähne, die in Höhlungen des Oberkiefers einrasten. Selten kommen im Oberkiefer einzelne Zähne durch.

Pottwale nutzen die Zähne nicht zur Jagd, sie sind auf eiweißreiche Tintenfischdiät spezialisiert.
Die weichen Tintenfische würden an den Zähnen einfach zerreißen.
Die weiche Beute wird einfach eingesogen, der Wal erzeugt dafür einen Unterdruck im Mundraum.
Männliche Pottwale nutzen die Zähne allerdings für ihre Rivalenkämpfe:
Sie ziehen die Zähne so über den Kopf des Gegners, dass deutlich sichtbare Narben zurückbleiben.

Die gefürchteten Orcas oder Schwertwale haben bis zu 50 Zähne (11-13 pro Kiefer), die „nur“ bis zu  7,6 cm groß sind. Von der konischen Basis her spitz zulaufend und hakenförmig nach innen gebogen lassen sie auch die glitschigste Beute nicht wieder los. Jeder Versuch, dem tödlichen Rachen zu entkommen, treibt die Beute weiter in die Zähne hinein.
Diese großen Delphinartigen jagen Tintenfische, Fische, Robben, kleine und große Wale.

Die Pisco-Wüste in Peru: Walfossilien im Wüstensand

Livyatan melvielli stammt aus der peruanischen Pisco-Formation, einer Küstenwüste am Pazifik.
In der Pisco-Formation sind in der Vergangenheit immer wieder hervorragend erhaltene und ungewöhnliche fossile Wale entdeckt worden.
Das Alter der Formation von etwa 13 Mio Jahren (Miozän) ist erdgeschichtlich relativ jung: d. h.: die meisten dort gefundenen Fossilien wie Delphine, Furchenwale oder Schnabelwale kann man den heutigen Wal-Familien zuordnen.

Die Funde der Pisco-Wüste lassen ein ganzes fossiles Ökosystem wieder lebendig werden: Hier lagen vor 12 Millionen Jahren viele flache Meeresbuchten an der Küste des Ozeans. Das feinkörnige Gestein hat die Fossilien sanft eingebettet, viele sind dreidimensional und weitgehend vollständig erhalten: Haie, Zahn- und Bartenwale, Pinguine und schwimmende Faultiere!

Sogar die Barten im Maul eines Furchenwals, der mit den heutigen Finn- und Zwergwalen verwandt ist, sind aus der peruanischen Küstenwüste erstmals versteinert überliefert worden.

Pottwale – gestern, heute, morgen

Übrigens sind auch in Europa (Norddeutschland und Nord-Italien) fossile Pottwale aus dem Miozän gefunden worden, die ähnliche Zähne hatten und sicherlich nicht nur Tintenfische gejagt haben…
Im Miozän gab es deutlich mehr Pottwal-Arten als heute und sie hatten eine gänzlich andere Lebensweise.
Pottwale sind, evolutiv betrachtet, „altmodische“ Wale. Mit dem Auftauchen sehr großer und starker Delphinartiger wie der Orcas im Pliozän, vor etwa 4 Mio Jahren, scheinen sie gegen solch eine starke Konkurrenz keine Überlebenschance gehabt zu haben. Orcas und Pottwale haben Gehirne von etwa 9 kg Gewicht. Damit haben Orcas ein relativ zur Körpergröße deutlich größeres Gehirn als Pottwale, sie gelten als sehr intelligent und jagen in Gruppen auch die größten Beutetiere.
Mit soviel geballter Intelligenz und den damit verbundenen extrem effektiven Jagdstrategien konnten die Pottwale offenbar nicht konkurrieren.So haben sich die größten aller Zahnwale heute zum Jagen in die Tiefen des Meeres zurückgezogen.

Livyatan … im Ozean ist nicht seinesgleichen.

Bettina Wurche

(Olivier Lambert; Giovanni Bianucci et al: “The giant bite of a new raptorial sperm whale from the Miocene epoch of Peru”; Nature 466, 105-108 (1 July 2010) | doi:10.1038/nature09067; Received 8 February 2010; Accepted 25 March 2010).

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