In dem Ausstellungsabschnitt zu den Organsystemen der Wirbeltiere war natürlich auch das Verdauungssystem ein Thema (s. auch : „Sammlungswelten: Verdauung von Z(-unge) bis A(-nus). Beim Stöbern im Tiefspeicher fiel uns die sehr umfangreiche Zungen-Sammlung auf: Das sensible Mundorgan war in allen Größen und Formen vertreten.
Schnell wurde klar: Davon müssen wir möglichst viele zeigen.
Die Zunge ist sowohl ein Sinnesorgan als auch der Beginn des Verdauungstraktes. Viele Tiere überprüfen mit diesem Sinnesorgan am Anfang des Verdauungstraktes, ob etwas für sie genießbar ist. Außerdem lenkt dieses Mundorgan die Nahrung und kontrolliert den Zerkleinerungsprozess. Und bei Reptilien dient es sogar als Ortungsorgan.
Schlangen züngeln mit geschlossenem Maul. Durch eine Spalte im Oberkiefer ragt die Zunge auch bei geschlossenem Maul heraus. Die Zunge nimmt Geruchspartikel auf. Durch die gespaltene Zunge kann die Schlange sich mit dieser Geruchsinformation räumlich orientieren und die Richtung einer Geruchsquelle identifizieren. In der Ausstellung sind die Zungen von Puffotter (Bitis arietans) und Abgottschlange (Boa constrictor) zu sehen.
Der Komodowaran hat, wie Schlangen, eine lange dünne, gespaltene Zunge, aber viel größer. Ein Komodowaran wird bis zu 3 Meter lang und 70 kg schwer, er trägt seinen Namen „Komododrache“ zu Recht. Darum steht ihm auch eine sehr große Zunge zu.
Vogelzungen sind generell stabiler und weniger flexibel als Säugetierzungen. Sie sind meist flach und dreieckig geformt.
Einige Vögel haben spezielle Zungenformen entwickelt, die oft beim Nahrungserwerb eingesetzt werden:
Pinguin- und Flamingozungen sind mit vielen scharfen Keratin-Haken besetzt. Die Haken sind nach hinten gerichtet und helfen, die glitschige Nahrung wie Fische festzuhalten.
Papageien und Sittiche haben dicke, kurze Zungen. Damit können sie ihr Futter- Früchte und Nüsse – manipulieren. Die mit Sinneszellen besetzte Zunge wird zum Schmecken und Betasten unbekannter Objekte und potentieller Nahrung eingesetzt.
Der australische Lärmlederkopf (Philemon corniculatus) aus der Familie der Honigfresser ernährt sich vor allem von Blütennektar. Die röhrenförmige Zunge funktioniert dabei wie ein Strohhalm, um den Nektar aufzusaugen.
Manche Piepmätze haben also einen ganzen Werkzeugkasten im Schnabel.
Säugetiere haben meistens dicke, fleischige Zungen.
Die Giraffe pflückt mit ihrer bis zu 50 cm (!) langen Greifzunge Blätter in den Baumkronen. Diese Giraffenzunge ist so lang, dass sie im Glas aufgerollt werden musste.
Der Ameisenbär hat eine in Relation zu seinem Körper ungeheuer lange und auch noch klebrige Zunge. Damit kann er tief in Termiten- und Ameisenbauten hinein reichen und die Insekten auflecken. Die Zunge kann in eine lange Scheide am Brustbein zurückgezogen werden – ein Zungenfutteral! Das ausgestellte Ameisenbären-Skelett mit der erhaltenen Zunge, der entsprechenden Bindegewebs-Scheide und einer ungewöhnlichen Blaufärbung ist ein echter Hingucker. Ein Meisterwerk der Tierpräparation.
Katzenzungen sind mit Papillen besetzt und darum sehr rau. Die zentralen Papillen tragen Dornen zum Kämmen des Felles oder zum Abschaben des Fleisches von Knochen. Die vorderen Papillen dienen der eigentlichen Geschmackswahrnehmung. Katzen können sauer, salzig und bitter schmecken, aber nicht süß.
In der Ausstellung sind gleich drei Katzenspezies-Zungen zu sehen: Hauskatze (Felis silvestris catus), Jaguar (Panthera onca) und Löwe (Panthera leo). Jeder weiß, dass Hauskatzen raue Zungen haben. An der riesigen Löwenzunge wird die raue Oberfläche mit den Papillen dann auch mit bloßem Auge sichtbar. Davon möchte man doch lieber nicht abgeschleckt werden.
Eigentlich wollten wir noch die Schokoladen-Katzenzungen dazulegen, die exklusive Leckerei aus Kindertagen. Wir haben uns dann letztendlich doch dagegen entschieden. Vielleicht hätte es im Museum Mäuse angezogen…quietschfidele, „nicht ausgestopft“…
Bettina Wurche