Die Federviecher machen einen sehr kleinen Teil der ausgestellten Präparate aus. Dafür haben sie uns erstaunlich viel Nachdenken bereitet. Denn: wir sind zwar alle drei gestandene Zoologen, aber keine Vogel-Experten…
Der röhrende Kranich
Auf einem blaugefärbten Präparat in einem hohen Schliffglas ist zu lesen:
„Spaltfußgans (Anseranas semipalmata)
Herz, Lunge, Luftröhre (blau gefärbt)“
Die Luftröhre ist klar erkennbar und unglaublich lang, das mehrfach gefaltete Organ ist mit einer Art Kabelbinder zusammengebunden.
Wir gucken ungläubig zu dritt auf das Präparat: Wo um Himmels willen hat eine Gans eine so lange Luftröhre? Die ist ja mehrere Male so lang wie das ganze Tier!
Eine Recherche ergibt Folgendes:
Kraniche, Trompeterschwäne und einige andere verwandte Vögel (darunter eben auch die genannte Spaltfußgans) haben sehr lange Luftröhren (Tracheae). Die überlangen Luftröhren werden im Körper spiralförmig aufgewickelt. Eine Abbildung zeigt ein wie einen Gartenschlauch aufgerolltes Organ im Hinterleib der Gans.
Eine solche sehr lange Trachea der Kraniche wurde übrigens schon 1250 von Kaiser Friedrich II beschrieben. Ist also gar keine neue Erkenntnis. Irgendwie unangenehm, dass Kaiser Fritz II mehr darüber wußte als ich in einem siebenjährigen Studium gelernt habe.
Neue Forschungen setzen diese extrem verlängerten Luftröhren in einen Kontext mit den extrem lauten Geräuschen, die die Vögel produzieren können – mehr Länge gleich mehr Lärm.
Gestern abend traf ich am Mainufer auf ein Pärchen Nilgänse, die dort wohnen. Eine der beiden kam gerade von einem kurzen Rundflug zurück, darum mußten sich die beiden erst mal entzückt begrüßen: Köpfchen aneinander reiben, Hälse umschlingen und enthemmt loströten: RÖÖÖÖÖÖHHHHRRRR.
Quod erat demonstandum.
Rockröhren wie Gianna Nanini würden jeden Kranich um seine Stimmkraft mit dem satten Sound beneiden- nur bei der Vokalisation von Texten bleiben die Vögel klar hinter den ungefiederten Rocksängern zurück.
Piep.
Die Henne und die Eier
„Gallus gallus domesticus, Ovar“ heißt ein großes Präparat in einem vierkantingen Glas.
Jeder weiß, wie ein Huhn und ein Hühnerei aussehen. Wie es aber genau dazu kommt, dass die arbeitsame Henne (fast) jeden Tag ein Ei legt, darüber macht man sich eher weniger Gedanken.
Dieses alte Lehrpräparat zeigt:
So ein Huhn hat eine regelrechte Eierfabrik in seinem geräumigen Bauch. Der Eierstock ist sehr groß und produziert zahlreiche Eier bzw. Eianlagen gleichzeitig: Die ganz kleinen Eier haben die Größe der winzig kleinen österlichen Zuckereier, dann gibt es alle Zwischengrößen und die größten Eier sind schon so gut wie legefertig. Die Eierschale wird von einer gesonderten Schalendrüse abgegeben. Hühner haben übrigens, wie die meisten Vögel nur einen einzigen Eierstock, meistens wird der linke ausgebildet.
Für mich eines der interessantesten Stücke der Ausstellung: die scheinbar alltäglichen Hühner und ihre Eier beherbergen tiefe Geheimnisse.
Von Bregen bis Klöten – Allerlei vom Strauß
Hirn, Magen und Penis vom Strauß sehen auf den ersten Blick kaum so aus, als ob sie zum gleichen Tier gehören würden.
Der Kopf ist für einen zwei Meter großen Vogel winzig, die Gehirngröße nicht weiter erwähnenswert. Unser Hirnanatom Helmut (Dr. Helmut Wicht) hat den Kopf mit dem freigelegten Hirn liebevoll in Szene gesetzt: Durch einen darüber angebrachten Spiegel kann man das Gehirn von oben betrachten, ohne sich dabei den Hals zu verrenken.
Der Magen des Strauß ist gigantisch: ein riesiger, prall gefüllter Sack in einem riesigen gläsernen Topf. Die Füllung besteht aus der pflanzlichen Nahrung wie Körnern, Gräsern, Blättern und anderen Pflanzenteilen. Dazu kommen noch Sand und Steine,mit denen die Nahrung im Muskelmagen zerkleinert wird. Die Steine werden als Gastrolithen, Magensteine, bezeichnet. Diese „Kauhilfen“ können bis zu 45 % des Mageninhalts einnehmen.
Strauße picken auf der Suche nach geeigneten Gastrolithen oft auch andere kleine Gegenstände auf, darum werden in ihren Mägen oft Münzen, Schrauben und andere Gegenstände gefunden. Zu gerne hätte ich den Mageninhalt untersucht…
Strauße haben tatsächlich Penisse, sogar recht stattlich ausgeprägte Kopulationsorgane. Penisbildungen kommen nur bei sehr wenigen Vögeln vor, und die gewaltigen fleischigen Organe dieser großen Laufvögel haben schon viele Leute in Erstaunen versetzt.
Bereits 1836 hatte Müller „diese erectilen Bestandteile“ der männlichen straussenartigen Vögel in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Aus dem Jahre 1836 detailliert beschrieben (ab S. 137).
Wohlgemerkt: Sehr detailliert.
Die Größe des Kopulationsorgans in Relation zum Magen und zum Gehirn läßt möglicherweise vermuten, dass Strauße eher zur Befriedigung der niederen Triebe neigen und sich die Zeit nicht mit Intelligenzspielen und Intrigen wie etwa Krähen vertreiben.
Möglicherweise ist diese Betrachtung inklusive der Schlußfolgerung aber auch zu anthropozentrisch.
Unwissenschaftlich ist sie allemal.
Bettina Wurche