Schnabelwale sind, neben den Pottwalen, die Tieftaucher unter den Walen.
Seit 1996 gibt es immer wieder weltweit Massenstrandungen von Schnabelwalen und anderen Walarten zeitgleich mit NATO-Manövern. Seriöse Wissenschaftler machen die moderne Sonartechnik der NATO für den vielfachen Waltod verantwortlich: das Low Frequency Active Sonar (LFAS), das über große Entfernungen und bin in große Tiefen U-Boote orten soll.
Am 30.11.2011 sind im Mittelmeer wieder drei der seltenen Cuvier-Schabelwale (Ziphius cavirostris) gestrandet und verendet.
Der griechische Wissenschaftler Dr. Alexandros Frantzis, der sich seit über 10 Jahren mit dem mutmaßlich durch LFAS verursachten Waltod beschäftigt, hat am 01.12.2011 die Europäischen Walforscher der ECS (ECS: European Cetacean Society) über diese Strandungen informiert. Zum zweiten Mal innerhab eines sehr kurzen Zeitraums ist die kleine Population der Cuvier-Schnabelwale der Ionischen See betroffen, die letzte Strandung war im Februar 2011 (Quelle: Diskussion der ECS-discussion list).
Mittlerweile ist bekannt geworden, dass auch diesmal ein Marine-Manöver in dem entsprechenden Seegebiet stattgefunden hat: Nach Aussage von Dr. Michael Jasny, Senior Policy Analyst, Natural Resources Defense Council vom 02.12.2011 hat an dem Manöver mindestens eine italienische Fregatte mit zwei aktiven Sonarsystemen aus US-Navy-Produktion teilgenommen (Quelle: Diskussion der ECS-discussion list).
Alexandros Frantzis hält sowohl militärisch genutztes Sonar als auch die zivile seismische Erkundung (z. B. in der Ölsuche) für eine akute Gefahrenquelle in dem Meeresgebiet der östlichen Ionischen See (Hellenic Trench) mit seinen tief tauchenden Walarten: Nach Frantzis ist die kleine Population der Cuvier-Schnabelwale der Ionischen See durch die Strandungen der letzen Jahre ernsthaft in ihrem Bestand gefährdet. Seit 2007 wird von ACCOBAMS die Einrichtung eines Schutzgebiets in diesem Meeresgraben gefordert (ACCOBAMS: Agreement on the Conservation of Cetaceans of the Black Sea, Mediterranean Sea and Contiguous Atlantic Area -Übereinkommen zum Schutz der Wale des Schwarzen Meeres, des Mittelmeeres und der angrenzenden Atlantischen Zonen).
Leider, so Frantzis, ist diese Forderung bis heute nicht umgesetzt worden.
Der international renommierte italienische Wal-Experte Dr.Giuseppe Notarbartolo di Sciara hat sofort nach dem Bekanntwerden der Strandungen noch am 02.12.2011 einen Brief an das ACCOBAMS-Sekretariat verfaßt: Er drückt seine Besorgnis aus und fordert das Sekretariat auf, den Schutz der Cuvier-Schnabelwale und anderer Spezies nachdrücklich voranzutreiben (Quelle: Diskussion der ECS-discussion list).
Schnabelwale – bedroht und geheimnisvoll
Schnabelwale (Ziphiidae) sind mittelgroßen Zahnwale, sie leben fernab der Küsten in tiefen Gewässern und sind in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Die Schnabelwal-Forschung konnte in den letzten 10 Jahren u. a. durch technische Fortschritte in der Bioakustik große Fortschritte machen: die Tiere können nun akustisch aufgespürt und bei ihren tiefen Tauchgängen verfolgt werden. Sie jagen Tintenfische und Fische, manche Arten können bis 90 Minuten und fast 2000 Meter tief tauchen (Handbook of Marine Mammals, Vol. 4: River Dolphins and the Lagrer Toothed Whales, edt. Ridgway, Harrsion).
Schnabelwale sind langlebig und haben eine geringe Fortpflanzungsrate, darum sind ihre Bestände sehr klein.
Sie stranden selten und nur vereinzelt an den Küsten. Es gibt weltweit vor 1996 keinen einzigen Nachweis auf eine Massenstrandung dieser Walarten, wie sie etwa von Grindwalen, Pilotwalen und Pottwalen immer bekannt sind und auch aus historischen Quellen über die letzten Jahrhunderte überliefert wurden (Podesta et al: „A review of Cuvier’s beaked whale strandings in the Mediterranean Sea“; J. CETACEAN RES. MANAGE. 7(3):251–261, 2006)
Sonar-Aktivitäten und Waltod
Der Cuvier-Schnabelwal lebt unter anderem in europäischen Gewässern, also im Atlantik und Mittelmeer.
1996 fand die erste Massenstrandung dieser Zahnwale an den Stränden der griechischen Inseln statt, 12 Tiere starben.
Die Wale waren an massiven Blutungen im Gehör, Gehirn und der Lunge gestorben. Derartige Verletzungen waren bis dahin bei Walen unbekannt. Sie sind durch panikartiges, extrem schnelles Auftauchen verursacht worden und haben zu schweren, Taucherkrankheits-ähnlichen Symptomen geführt. Die Tiere mußten durch einen äußeren Einfluß in Panik geraten sein. Es gibt keine natürliche Ursache (Meeresbeben, Hai- oder Orca-Angriff,…), die eine ganze Herde Cuvier-Schabelwale panisch aus dem Ozean fliehen läßt. Frantzis kam nach sorgfältiger Datenanalyse zu dem Ergebnis, dass diese atypische Massenstrandung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in direktem Zusammenhang mit einem NATO-Manöver im gleichen Seegebiet stehen mußte, bei dem ein LFAS-Sonar eingesetzt wurde.
Frantzis Forschungsergebnisse wurden in dem angesehenen Wissenschaftsmagazin in Nature veröffentlicht ( Nature 392, 29 (5 March 1998) | doi:10.1038/3206; A. Frantzis: “Does acoustic testing strand whales?” Scientific Correspondence); http://en.wikipedia.org/wiki/Marine_mammals_and_sonar). Seine Arbeit wurde von vielen anderen internationalen Fachkollegen als seriös und korrekt in den Schlußfolgerungen bewertet.
Mittlerweile sind weltweit von verschiedenen unabhängigen Wissenschaftlern – Biologen und Tierärzten – weitere Massenstrandungen von Schnabelwalen und anderen Spezies untersucht worden. Sie haben Frantzis Hypothese immer wieder bestätigt: Das LFA-Sonar treibt die Wale durch extrem laute Ortungs-Geräusche zu einem panischen “Notaufstieg“: Die Tiere leiden dabei so stark, dass sie versuchen, aus dem Wasser zu fliehen. Sie verenden grausam mit zerstörten Innenohren und inneren Blutungen.
Der auf Wale spezialisierte Tierarzt Dr. Paul Jepson hat in viele Sektionen die schweren Verletzungen bei verschiedenen Arten analysiert und dokumentiert.
Mittlerweile sind regelmäßig Strandungen mehrerer Schnabelwale aus dem Atlantik (Kanarische Inseln), dem Mittelmeer (griechische Inseln und Italienische Gewässer), dem Pazifik (Hawaii) zu verzeichnen, die eine zeitliche Korrelation mit NATO-Manövern und LFAS-Einsatz haben.
Das Milität weist einen Zusammenhang des Sonar-Einsatzes und des Waltods natürlich rigoros zurück.
Auswahl weiterer Quellen:
Podesta et al: A review of Cuvier’s beaked whale strandings in the Mediterranean Sea, J. CETACEAN RES. MANAGE. 7(3):251–261, 2006
http://www.nmfs.noaa.gov/pr/health/noise/docs/podesta_mediterranean.pdf
Cox, T.M., T.J. Ragen, A.J. Read, E. Vos, R.W. Baird, K. Balcomb, J. Barlow, J. Caldwell, T. Cranford, L. Crum, A. D’Amico, G. D’Spain, A. Fernández, J. Finneran, R. Gentry, W. Gerth, F. Gulland, J. Hildebrand, D. Houser, T. Hullar, P.D. Jepson, D. Ketten, C.D. MacLeod, P. Miller, S. Moore, D. Mountain, D. Palka, P. Ponganis, S. Rommel, T. Rowles, B. Taylor, P. Tyack, D. Wartzok, R. Gisiner, J. Mead, L. Benner. (2006) Understanding the Impacts of Anthropogenic Sound on Beaked Whales. Journal of Cetacean Research and Management7: 177-187.
Rommel, S.A., Costidis, A.M., Fernandez, A., Jepson, P.D., Pabst, A., McLellan, W., Houser, D.S., Cranford, T., van Helden, A., Allen, D. and Barrows, N. (2006) Elements of Beaked Whale Anatomy and Diving Physiology, and Some Hypothetical Causes of Sonar-related Stranding. Journal of Cetacean Research and Management7: 189-209.
Jepson, P.D., Deaville, R., Patterson, I.A.R., Pocknell, Ross, H.M., Baker, J.R., Howie, F.E., Reid, R.J., Colloff, A. and Cunningham, A.A. (2005) Acute and chronic gas bubble lesions in cetaceans stranded in the United Kingdom. Veterinary Pathology42: 291-305.
Jepson, P.D., Arbelo, M., Deaville, R., Patterson, I.A.R., Castro, P., Baker, J.R., Degollada, E., Ross, H.M., Herráez, P., Pocknell, A.M., Rodriguez, E., Howie, F.E., Espinosa, A., Reid, R.J., Jaber, J.R., Martin, V., Cunningham, A.A., and Fernandez, A. (2003) Gas-bubble lesions in stranded cetaceans. Nature425: 575-576.
Bettina Wurche