Die Pottwale – meine „kleinen“ Lieblinge aus der Bleiksdjupet

28. Februar 2013 von Bettina Wurche · 2 Kommentare

Gerade bereite ich mal wieder einen meiner liebsten Vorträge vor: „Pottwal – Mythos und Wirklichkeit“.
Die Pottwale (Physeter macrocephalus) habe ich tief in mein Herz geschlossen, denn ich habe mit diesen grauen Meeresriesen zwei phantastische Polar-Sommer in Nord-Norwegen verbracht.
1997 und 1998 habe ich für das Whale-watching-Unternehmen „Whale Tours“ in Nyksund gearbeitet, einem malerischen verlassenen Fischerdorf auf der Insel Hinnoya. In jenen Sommermonaten habe ich unsere Gäste auf dem kleinen Schiff „Odin“ begleitet und Unmengen von Pottwalen (und andere Wale) gesehen.
Dort schneidet der submarine Canyon Bleiksdjupet tief in den Kontinentalschelf ein,  bis sehr dicht an die Küste.
Die Landnähe bringt viele Nährstoffe in das Wasser, durch die große Wassertiefe und die Strömungen ist gleichzeitig viel Sauerstoff im Meer – da tummelt sich die ganze Nahrungskette des Meeres.
Das ideale Revier für die tief tauchenden großen Pottwale!
Die erwachsenen Bullen sind dort so häufig und so beständig, dass die Whale-watching-Unternehmen sogar eine Wal-Garantie geben: Wenn man keinen Wal sieht, bekommt man die Hälfte des Geldes zurück oder darf am nächsten Tag noch einmal mitfahren.

Dass so mancher Besucher lieber das Geld nahm, anstatt eine zweite Tour zu machen, ist nicht die Schuld der Wale, sondern des Wetters. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass das norwegische Wort für Wal „hval“ lautet, in einem nordnorwegischen Dialekt heißt es sogar „kval“. Eine Wal-Tour mit heftigem Seegang kann für Meeresunerfahrene schnell zur „Qualtour“ werden. Aus gutem Grund haben wir unsere Gäste vor Beginn der Tagestour mit Seekrankheitstabletten gefüttert. Unsere wackere „Odin“ und ihre erfahrenen Steuerleute haben uns natürlich trotz widriger Winde immer sicher ans Ziel und zurück gebracht. Die norwegischen Seeleute hatten für solche „Sommerlüftchen“ nur ein müdes Lächeln übrig.

Als Wal-Guide stand ich oft im Krähennest und musste die Wale finden – Wale sind schon aus weiter Entfernung an ihrem Blas sicher zu identifizieren. Pottwale blasen nur aus dem linken Nasenloch, schräg nach vorn und links. Dann kam der Ruf: „Spermasett forward!“ (Pottwal voraus). (Pottwale heißen im Englischen „Sperm whale“, in Norwegisch „Spermasett“ und auf Französisch „Cachalot“. Ihre Namen in allen anderen europäischen Sprachen sind mit diesen Begriffen verwandt.)
Aus meiner „Walfischtonne“ in etwa 10 Metern Höhe hatte ich einen phantastischen Blick auf die Tiere. An den Tagen, die ich an Deck blieb, war ich ihnen sogar noch näher, sie ließen sich durch uns meistens nicht stören und blieben dicht am Schiff.

Whale Tours existiert heute leider nicht mehr, aber von dem Ort Andenes auf der Nachbarinsel Andoya geht es jeden Tag zur Hval-Safari aufs Meer hinaus.
Ich habe also schon sehr, sehr viel dieser grauen Riesen des Ozeans gesehen.
Aber ich bekomme nicht genug von ihnen, sie haben einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Der Pottwal ist für mich ein schwimmendes Paradoxon. Es gibt mehrere große Bartenwal-Arten, die größer werden, aber nicht einer von ihnen kam mir jemals so gewaltig vor, wie „Moby Dick“. Seit ich einen auf der Insel Norderney gestrandeten erwachsenen Bullen von etwa 16 Metern Länge sah – und mit zerlegte – hat sich die Wuchtigkeit des Physeter in mein Gedächtnis eingebrannt.
Sie sind einfach atemberaubend!

Das nord-norwegische Whale-watching ist übrigens ein Vorbild für nachhaltigen Ökotourismus.
Die Wal-Touren werden nach strengen regeln und nur von Experten durchgeführt.
erfahrene Kapitäne kennen die Wale und ihr Verhalten, gut ausgebildete Guides geben in vielen verschiedenen Sprachen wissenschaftlich fundierte Information über  die Wale und die aktuelle Forschung.
Die einzelnen Schiffe sprechen sich vor Ort ab, damit ein Wal niemals von mehreren Schiffen eingekesselt und gestört wird. Die Schiffe müssen vorsichtig von hinten an den Pottwal herankommen und dürfen ihn nicht überholen. Außerdem wird ein Sicherheitsabstand zum Wal eingehalten. Dazu drosseln die Schiffe zwar die Motoren, lassen sie aber weiterlaufen. So kann der Wal das Schiff hören und weiß, was um ihn herum vorgeht. Dieses Verhalten beim Whale-watching entspricht den Vorschlägen des IFAW (International Fund of Animal Welfare) und die müssen es als „whale-hugger“ vom Dienst ja schließlich wissen.

Bettina Wurche

 

Tags: Ozean · Pottwale · Wale · Zoologie

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