Der fossile Fisch Megapiranha paranensis aus Argentinien war 2009 wissenschaftlich beschrieben worden. Der gut erhaltene Kiefer und die großen, dreieckigen Zähne mit den gesägten Kanten stellen ihn klar in die Verwandtschaft der gefürchteten Piranhas.
Jetzt hat ein Wissenschaftlerteam den Kiefer und die Zähne noch einmal genauer untersucht – diesmal ging es um die Biomechanik. Ihre Forschungsfrage: Wie kraftvoll konnte Megapiranha zubeißen?
Dazu hat das internationale Team Experimente mit lebenden Piranhas durchgeführt und dann die Kraft der fossilen Kiefer und Zähne berechnet.
Unter dem treffenden Namen „Mega-Bites: Extreme jaw forces of living and extinct piranhas (Serrasalmidae)“(1) haben sie nun ihre Ergebnisse veröffentlicht: Der ausgestorbene Piranha-Cousin hatte – in Relation zu seiner Größe – den stärksten Biss, der je gemessen wurde. Stärker als Tyrannosaurus rex, der riesige Hai „Megalodon“ oder der devonische Riesenraubfisch Dunkleosteus.
Der Schrecken vom Amazonas
Eine Expedition zum Amazonas erforschte 2010 die Beißkraft der heute lebenden Piranhas direkt vor Ort. Prof. Guillermo Ortí, ein Experte für die Evolution von Fischen im Allgemeinen und Amazonas-Fischen im Besonderen, war mit von der Partie, das National Geographic-Magazin hatte die Expedition organisiert und gefilmt. Die berüchtigten bissigen Tropenfische sind die idealen “Forschungspartner” für in-vivo-Experimente zur Evolution des Wirbeltier-Kiefers: klein, aggressiv und in großen Mengen und einfach zu finden.
Die Forscher vermaßen erstmals die Kieferkräfte von 15 Piranha-Arten. Der größte von ihnen, der bis zu 45 Zentimeter große Schwarze Piranha biss mit einer Kraft von bis(s) zu 320 Newton auf das metallene Meßgerät.
Ein Biss für alle Fälle
Die Fleisch fressenden Piranhas haben typischerweise eine einzige Reihe mit sechs bis sieben dreieckigen Zähnen mit gesägten Kanten. Damit reißen sie große Stücke Fleisch aus ihrer Beute.
Der viel größere, 10 Millionen Jahre alte Megapiranha paranensis hatte andere Zähne: Das Kieferfragment trägt drei Zähne, die zick-zack-artig versetzt sind. Der nach innen versetzte Zahn ist außerdem mit einem massiven runden Sockel im Kiefer verankert. Auch diese Zähne waren dreieckig und hatten gesägte Kanten, wie Haizähne (3, 1).
Mit dieser Zick-Zack-Zahnreihe ähnelt er eher dem Pacu, einem harmlosen Vegetarier, der ebenfalls mit den Piranhas verwandt ist.
Die Forscher haben daraus für den ausgestorbene Riesen-Piranha einen massiven Kombi-Biss rekonstruiert: Er konnte sowohl Fleischbrocken aus großen Beutetieren herausreißen als auch feste Knochen und Panzer durchbeißen.
Den sehr starken Biss verdanken die Piranhas ihrer enormen Kiefermuskulatur und den kräftigen Bändern – sie wiegen bis zu 2 % der gesamten Körpermasse. “One of the highest jaw-closing mechanical advantages ever identified in fishes,” sagt Stephanie Crofts (University Washington), die die Kiefer vermessen hat.
Megapiranha paranensis soll nach einigen Angaben bis zu 1,3 Meter lang und bis zu 73 Kilogramm schwer gewesen sein. Crofts und ihre Co-Autoren gehen von einer konservativeren Schätzung aus: Etwa ~10 kg Gewicht und eine Körperlänge von 71 cm. Das reicht dann immer noch für einen spektakulären Beißdruck (2) zwischen 1240 to 4749 Newton (1).
Der fossile Mega-Beißer lebte im Miozän, vor etwa 10 Millionen Jahren, in südamerikanischen Süßgewässern.
Noch ist nicht bekannt ist, was Megapiranha damals gefressen hat. Aber die Fischforscher sind sich sicher: Mit dieser Kieferkraft und diesen Zähnen bewaffnet, hätte der Fisch auch sehr große und stark gepanzerte Beute erlegen können. Wie die Katzenfische und Schildkröten, die damals im gleichen Gewässer lebten.
Dazu meint Stephanie Crofts: “If our calculations are correct, Megapiranha was probably a bone-crushing predator taking bites of anything and everything”.
Dunkleosteus – der devonische Panzerknacker
T. rex oder Megalodon kennt fast jeder.
Den Vergleich mit dem Panzerfisch Dunkleosteus finde ich nicht so geglückt.
Wer kennt schon devonische Fische, die vor 380 Millionen Jahren gelebt haben?
Dunkleosteus terelli war auf jeden Fall rekordverdächtig: Mit über sechs Metern der größte Fisch im damaligen Ozean und das größte Meerestier überhaupt. Der Panzerfisch hatte scharfkantige Kiefer, die sich selbst nachschärften, mit einem beachtlichen Beißdruck – für damalige Verhältnisse.
Er bleibt mit 4400 Newton Beißdruck an der Schnauzenspitze und bis 5300 Newton (4) an den hinteren Dentalplatten weit hinter heutigen Haien und anderen Tieren zurück.
Ein Dunkleosteus-Schädel mit seinen schweren, scharfkantigen Panzerplatten kommt uns auch heute noch furchteinflößend vor.
Aber moderne Prädatoren der gleichen Größen- und Gewichtsklasse, wie etwa der Weiße Hai, können darüber nur müde grinsen. Die Aufrüstung im Tierreich lässt den Schrecken des Devons heute ziemlich alt aussehen.
Mein Fazit:
Wenn ich in die versteinerten Kiefer von T. rex, Megalodon und Dunkleosteus blicke, geht mir durch den Kopf, dass das Aussterben mancher Arten mich doch irgendwie erleichtert.
PS:
Im Senckenberg-Museum in Frankfurt steht ein Dunkleosteus-Schädel. Bei der nächsten Gelegenheit muss ich mich damit photographieren lassen. Das Vieh sieht einfach gewaltig aus.
Bettina Wurche
Quellen:
(1) Justin R. Grubich, Steve Huskey, Stephanie Crofts, Guillermo Orti & Jorge Porto: „Mega-Bites: Extreme jaw forces of living and extinct piranhas (Serrasalmidae)“
http://www.nature.com/srep/2012/121220/srep01009/full/srep01009.html
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Bei%C3%9Fkraft
(3) Megapiranha paranensis, a New Genus and Species of Serrasalmidae (Characiformes, Teleostei) from the Upper Miocene of Argentina
Alberto Luis Cione,1 Wasila M. Dahdul,*,2 John G. Lundberg,2 and Antonio Machado-Allison3; Journal of Vertebrate Paleontology 29(2):350-358. 2009
doi: http://dx.doi.org/10.1671/039.029.0221
http://www.bioone.org/doi/abs/10.1671/039.029.0221?journalCode=vrpa
(4) Philip S. L. Anderson, Mark W. Westneat: Feeding mechanics and bite force modelling of the skull of Dunkleosteus terrelli, an ancient apex predator. Biology Letters, Royal Society Publishing, 2006 doi: 10.1098/rsbl.2006.0569 Volltext (PDF)
Zum Weiterlesen:
Science AAAS: “ScienceShot: Megapiranha Outchomps T. Rex”
http://news.sciencemag.org/sciencenow/2012/12/scienceshot-megapiranha-outchomp.html