Forschung: Schokolade macht Schnecken schlauer

27. September 2012 von Bettina Wurche · Keine Kommentare

Schokolade ist gesund, sagen Wissenschaftler.
Es gibt viele Studien, die den gesundheitlichen Nutzen der dunklen Leckerei nachweisen. Das könnte daran liegen, dass Wissenschaftler auch gern Schokolade essen. Die meisten Studien halten der Überprüfung nicht stand, wie etwa zuletzt die Publikation “Association Between More Frequent Chocolate Consumption and Lower Body Mass Index” Beatrice A. Golomb, Sabrina Koperski, et al: (Arch Intern Med. 2012;172(6):519-521).
Lesen Sie dazu auch den meertext-Beitrag „SCHOKooo-LA-DE – lecker und gesund?“.

Darum reagierte der Physiologie-Professor Ken Lukowiak von der Universität Calgary, Department of Physiology and Pharmacology, auch seeeehhhhr skeptisch, als sein Student Lee Fruson untersuchen wollte, inwieweit Schokolade das Gedächtnis beeinflussen kann.

Trotz Lukowiaks anfänglichen Zweifeln untersuchten sie eine Gruppe von Kakao-Bestandteilen – die Flavonoide.
Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die sich chemisch vom Grundgerüst des Flavan (2-Phenylchroman) ableiten und aus zwei aromatischen Ringen bestehen, die durch einen Tetrahydropyran-Ring verbunden sind.

Flavonoide sind Bestandteile einer ganzen Reihe von Nahrungsmitteln, die gern als „Superfood“ bezeichnet werden. So genanntes „Superfood“ wie Schokolode oder grüner Tee soll angeblich besonders gesund sein und die Hirnleistung steigern. Darum konzentrierten sich Fruson und Lukowiak bei ihrer Untersuchung auf das Flavonoid Epicatechin (Epi).

‘I didn’t think any of this stuff would work’, erinnert sich Lukowiak.
Die Untersuchung, inwieweit eine Schokoladen-Komponente das menschliche Erinnerungsvermögen beeinflusst, ist aufgrund der vielen externen Faktoren nahezu unmöglich. Darum wurden die Auswirkungen des Flavonoids Epicatechin auf Lukowiaks Lieblings-Labortier untersucht: Die Spitzschlammschnecke Lymnaea stagnalis.
Das überraschende Ergebnis der Schokoladen/Schnecken-Studie haben Fruson und Lukowiak nun im Journal of Experimental Biology publiziert:
Epicatechin verbesserte die Dauer und Stärke der Schnecken-Erinnerungen.
Fruson, L., Dalesman, S. and Lukowiak, K. (2012) A flavonol present in cocoa [(–) epicatechin] enhances snail memory. J. Exp. Biol. 215, 3566-3576.

Erinnerungstest für Schnecken
Wie sieht ein Erinnerungstest für Schnecken aus?
Süßwasserschnecken atmen durch eine Atemöffnung, das Pneumoston, und betreiben zusätzlich Hautatmung. Sie leben in Gewässern, deren Sauerstoffgehalt stark schwanken kann und können auch Zeiten des Sauerstoffmangels überleben.
Lukowiak ist ein erfahrener Schneckentrainer und hat die Teilnehmer des Experiments darauf trainiert, bei Sauerstoffmangel die Atemöffnung zu schließen.
Nachdem die Schnecken diese einfache Aktivität in einem halbstündigen Training in deoxygeniertem Wasser erlernt hatten, wurde ihr Erinnerungsvermögen getestet: Das halbstündige Training hatte ausgereicht, die Erinnerung im Kurzzeitgedächtnis (bis zu 3 h) abzuspeichern, aber nicht im Langzeitgedächtnis (24 h).
Dann setzten Fruson und Lukowiak Epicatechin ein.
Unter Einfluss von Epi konnten sich die Schnecken noch einen Tag später daran erinnern, ihre Atemöffnungen im sauerstofflosen Wasser geschlossen zu halten. Manche Schnecken konnten sich sogar nach drei Tagen noch daran erinnern!
Das Epicatechin hatte also zu einem signifikant verbesserten Erinnerungsvermögen der Spitzschlammschnecke geführt.

Schokolade hilft doch beim Lernen
Aber wie stark genau war dieses verstärkte Erinnerungsvermögen?
Erinnerungen können durch neue Erinnerungen überschrieben werden. Dieser Prozess wird als Extinktion bezeichnet, erklärt Lukowiak.
Dabei muss die ursprüngliche Erinnerung nicht verloren gehen. Wenn die neue Erinnerung schwach ist, kann sie vergessen werden und die ältere Erinnerung wird wiederhergestellt.
Fruso und Lukowiak wollten nun noch herausfinden, wie stark das neu gelernte Wissen unter dem Epi-Einfluß war.
Sie trainierten die Schnecken nochmals, aber diesmal sollten die Tiere ihre Atemöffnungen öffnen. Das Ergebnis war: Die mit Epi unterstützte Erinnerung war stärker, die Schnecken hielten trotz der neuen Trainingseinheit ihre Atemöffnungen weiterhin geschlossen.

Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass das Epicatechin offenbar direkt auf die Neuronen des Erinnerungsvermögens wirkte.
Lukowiak meinte, dass bei Menschen schon ein halber Riegel dunkle Schokolade das Erinnerungsvermögen signifikant verbessern dürfte.
Eine gute Nachricht für die Chocoholics weltweit.

Unfairerweise mussten sich die Schnecken mit dem reinen Stoff – dem Epi – begnügen und durften die Komponente nicht als Teil der ganzen Rezeptur probieren. Denn zweifellos essen viele Menschen Schokolade vor allem wegen ihres guten Geschmacks, und nicht in erster Linie aufgrund der unterstellten Superfood-Eigenschaften. Vielleicht wäre der Anreiz dann – bedingt durch den leckeren Geschmack – noch größer gewesen?
Dadurch bleibt die wichtiger Frage immer noch ungeklärt: Naschen Spitzschlammschnecken gerne Schokolade?

Bettina Wurche

 

 

 

 

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