Für die Anfertigung einiger wissenschaftlich korrekter Abbildungen der vor Nordnorwegen vorkommenden Wale nahm ich die Zwergwale gerade noch einmal etwas genauer unter die Lupe. Und stieß auf die Frage, wie viele Zwergwalarten es gibt.
Der Zwergwal ist der kleinste Furchenwal, mit seiner Länge von bis zu 8,5 m ist er neben seinem größten Mit-Furchenwal, dem Blauwal Balaenoptera musculus, ein Zwerg.
Schon vor mehr als 10 Jahren, als ich monatelang in Arktis und Antarktis auf See war und den Walen Gesellschaft leistete, wurde bereits viel darüber diskutiert: Ist der angeblich weltweit vorkommende Art Zwergwal wirklich eine einzige Spezies? Zu diesem Zeitpunkt hießen alle Zwergwale in allen Ozeanen weltweit Balaenoptera acutorostrata.
Schon beim äußeren Anblick kamen uns damals ernste Zweifel: Die Zwergwale der Nordhalbkugel hatten einen deutlichen breiten weißen Streifen auf dem Flipper, der auch im Wasser markant aufleuchtete, die Wale der Südhalbkugel hatten diesen Streifen nicht. Derartig signifikant unterschiedliche Merkmale deuteten auf zwei Arten oder Unterarten hin.
Bei genetischen Analysen kam bereits 1993 durch den renommierten isländischen Wal-Genom-Forscher Arnason et al und 1994 durch Pastene et al heraus , dass die Zwergwale der Nord- und Südhalbkugel nicht enger miteinander verwandt waren, als mit den anderen Furchenwalen. Genetisch waren also zwei verschiedene Arten nachgewiesen.
Seit 2000/2001 ist es nunmehr amtlich: Die IWC (Internationale Walfang-Kommission) hat festgelegt, dass die Zwergwale der Nordhalbkugel Balaenoptera acutorostrata (Nördliche Zwergwale) heißen und die der Südhalbkugel B. bonaerensis (Südliche Zwergwale).
Der Nördliche Zwergwal bildet dann noch einmal drei Unterarten: Den Nordatlantischen Zwergwal (B. acutorostrata acutorostrata), den Nordpazifischen Zwergwal (B. acutorostrata scammoni) und eine weitere Unterart in den Gewässern in Sri Lanka, Balaenoptera acutorostrata thalmaha. Die Existenz der letzten Unterart ist noch umstritten. Außerdem gibt es wahrscheinlich noch die Art „Zwerg-Zwergwal“ (Balaenoptera acutorostrata subspecies/ allospecies), die noch nicht bestätigt ist.
Die Entscheidung, die Zwergwale der Südhalbkugel als eigene Art zu betrachten, war nach den vorangegangenen Diskussionen nicht wirklich überraschend. Überraschender war für mich vielmehr die Namenswahl:
Der neue Südliche Zwergwal heißt mit vollständiger Bezeichnung Balaenoptera bonaerensis Burmeister, 1867.
Das heißt: Der in Stralsund geborene deutsche Naturforscher Hermann Burmeister, hatte den südlichen Zwergwal schon 1867 beschrieben und benannt. Burmeister war nach Südamerika ausgewandert und hat dort umfassende meeresbiologische Forschungen durchgeführt und Museumssammlungen begründet (Quelle: Meer und Museum, Band 9).
Dieser kleine Exkurs in das „Who is who“ unter Zwergwalen zeigt: Die Wal-Taxonomie ist absolut nicht abschließend geklärt, stattdessen warten auch heute noch zahlreiche taxonomische Überraschungen auf die Walforscher wie Neuentdeckungen, Umbenennungen und Neusortierungen.
Bettina Wurche