Seit Beginn der Ölkatastrophe hat die US-amerikanische Behörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Agency), für die auch viele Spezialisten zur Erforschung des Ozeans arbeiten, zahlreiche kleinere Forschungsschiffen in das verschmutzten Seegebiet entsendet, um Daten zu sammeln.
Obwohl mit Hochdruck gearbeitet wird, wird die Auswertung dieser Daten dauern, denn die Ergebnisse müssen wissenschaftlich hieb- und stichfest sein.
Bereits jetzt steht fest: Seit Beginn der Ölpest sind im Golf von Mexiko signifikant mehr Meerestiere verstorben als in der Zeit davor (Quelle: National Oceanic and Atmospheric Agency).
Die Ölpest und ihre Opfer waren über Monate hinweg Tagesgespräch.
Jetzt ist seit der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko schon ein Jahr vergangen.
Es sterben immer noch Meerestiere.
Wie lange noch?
Ist die Ölkatastrophe in einigen Jahren „beendet“?
Wenn kein Öl mehr an den Stränden zu sehen ist und keine verölten Seevögel mehr in den Ölschlieren des Spülsaums liegen?
Leider nicht. Die Langzeitfolgen nach einer Ölkatastrophe auf die Flora und Fauna sind sehr schwierig zu dokumentieren.
Ein Teil der Ökosysteme scheint sich nach Jahrzehnten wieder zu erholen.
Es fehlt an Langzeit-Forschungen, die den Zustand und Bestand von Arten vor und nach einer solchen Katastrophe dokumentieren.
Forschung ist teuer…
Langzeitforschungen werden meistens an Organismen durchgeführt, die für Menschen eine „Wertigkeit“ haben, wirtschaftlich oder immateriell.
„Seafood“, also etwa Speisefische und Krebse die auf unserem Speisezettel stehen, sind wirtschaftlich bedeutsam.
In einem Ölpest-Areal wird die Fischerei allerdings immer schnell geschlossen, so dass meistens nach der Katastrophe lange Zeit keine oder nur sehr wenig Daten erhoben werden. (Matkin, C.O et al: 2008. Ongoing population-level impacts on killer whales Orcinus orca following the ‘Exxon Valdez’ oil spill in Prince William Sound, Alaska. Marine Ecology Progress Series, 356:269-281.
Wale haben einen hohen immateriellen Wert, darum werden zumindest manche Arten und Populationen über lange Zeiträume erforscht. Die Schwertwale (Orcinus orca) von British Columbia werden seit langen erforscht, die einzelnen Familienverbände und ihre Mitglieder werden seit Jahrzehnten durch Photoidentifikation individuell erfasst und beobachtet. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer genauen Analyse des Bestands über einen langen Zeitraum hinweg.
Die Arbeit „Ongoing population-level impacts on killer whales Orcinus orca following the ‘Exxon Valdez’ oil spill in Prince William Sound, Alaska“ von Matkin et al beschreibt die Forschungsergebnisse eines Langzeitprojekts an Orcas vor British Columbia vor und nach der Exxon Valdez-Ölpest:
Die Untersuchung von 2 Orca-Populationen (Pods) 5 Jahre vor und 16 Jahre nach der Exxon Valdez-Ölpest zeigt, dass in beiden Beständen hohe Verluste an Tieren vorliegen. Die Pods haben 33 bzw. 41 % ihrer Mitglieder verloren, die Geburtenraten bleiben nach der Ölkatastrophe niedrig. Die Gruppengröße hat sich bei beiden seitdem nicht erholt, sondern verringert sich weiterhin. Beide Pods sind unmittelbar mit dem Öl in Kontakt gekommen.
Die beiden untersuchten Orca-Gruppen sind genetisch und ökologisch voneinander getrennt: der Pod AB ist ein Resident Pod, AT1 ist ein Transient Pod. Die Ölkatastrophe war das einzige verbindende Element.
Bei anderen Orca-Beständen aus angrenzenden Gebieten, die nicht so unmittelbar dem Öl ausgesetzt waren, ist kein derartiger Mitgliederverlust zu beobachten.
Diese Faktenlage deutet nach Matkin und Kollegen sehr stark darauf hin, dass die Exxon Valdez-Ölpest zum Niedergang bzw. Aussterben dieser Orca-Pods geführt hat.
(Matkin, C.O., Saulitis, E.L., Ellis, G.M., Olesiuk, P., Rice, S.D. 2008. Ongoing population-level impacts on killer whales Orcinus orca following the ‘Exxon Valdez’ oil spill in Prince William Sound, Alaska. Marine Ecology Progress Series, 356:269-281).
Es ist zu befürchten, dass auch die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko noch über Jahrzehnte Auswirkungen auf die Meeresbewohner haben wird.
Bettina Wurche