Ammoniten sind auch heute, mehr als 65 Millionen Jahre nach ihrem endgültigen Erlöschen immer noch für eine Überraschung gut.
Anders als bei ihren engen Verwandten, den Belemniten, ist über die weichen Körperteile der Ammoniten noch extrem wenig bekannt.
Von den gestreckten Belemniten sind Fangarme und Tintendrüsen gefunden worden, von ihren aufgerollten Vettern kennt man bis heute noch nicht einmal Anzahl und Form der Fangarme.
Ammoniten-Experten haben gerade in dem renommierten Wissenschafts-Magazin SCIENCE in zwei Beiträgen spektakuläre neue Einblicke in das Leben und Sterben der Ammoniten publiziert:
Tanabe: „The Feeding Habits of Ammonites“
Landman und sein Team hatten in den Great Plains einige besonders gut erhaltene Baculiten gefunden und deren Kieferbereich näher untersucht.
Ihre Hoffnung: Erhaltene Weichteile des Kieferapparats.
Sie wurden fündig: In den Strahlen eines Röntgen-Synchroton-Mikrotomographen wurden neben dem Kieferapparat mit filigraner Radula sogar die Reste der Nahung sichtbar!
Lesen Sie mehr über diese in meinem SPON-Beitrag „Ammoniten-Rekonstruktion: Forscher erschaffen Urzeittiere neu“
Ammoniten – die Dinosaurier des kleinen Mannes
In der griechischen Antike wurden die fossilen Kopffüßer „Ammonshörner“ genannt: die geschwungenen gerippten Strukturen erinnerten die Menschen an die Widderhörner des antiken Gottes Re-Ammon.
Die versteinerten Zeitzeugen der Urozeane haben bis heute eine ungebrochene Anziehungskraft: Ammoniten sind häufig und kommen in vielen Formen vor, meistens sind sie klein genug, um in die Tasche gesteckt zu werden.
Viele Ammonitenschalen sind gerippt, manche tragen Buckel oder Dornen, bei anderen sind die elegant geschwungenen inneren Querwände, die Lobenlinien, frei gelegt. Ihre Farben variieren, je nach Mineralgehalt des Fossils, zwischen fast weiß, ocker, braun, grau, grün oder schwarz. Besonders erlesene Exemplare von ausgewählten Fundstellen sind sogar in Pyrit oder Perlmutt erhalten.
Die gefällig gerundeten Versteinerungen sind auf jeder Fossilienbörse in großer Auswahl zu sehen, viele Fossiliensammler haben unzählige Stücke zusammengetragen: Ein handliches Stückchen Erdgeschichte für jedermann.
Ammonshörner und „Schlangensteine“
Um 1800 waren Ammoniten die Wegbegleiter der damals gerade entstehenden Paläontologie und Geologie.
An der südenglischen Küste wurden sie durch die Flut regelmäßig frei gespült und zunächst als Kuriositäten unter der Bezeichnung „Schlangensteine“ gesammelt.
Man hielt sie für die Reste von kopflosen Schlangen.
Die berühmteste Fossiliensammlerin war die Autodidaktin Mary Anning, die an der Küste um Lyme Regis schon als Kind Ammoniten sammelte und später die ersten Fisch- und Flugsaurier-Fossilien entdeckte. Der Roman „Zwei bemerkenswerte Frauen“ von Tracy Chevalier setzt ihr und ihrer Kollegin Elizabeth Philpot ein literarisches Denkmal.
Ihr einstiges Sammelgebiet heißt wegen seines außergewöhnlichen Fossilienreichtums heute „Jurassic Coast“ – es ist die Schatzkiste des jurassischen Meeres.
Die „Jurassic Coast“ ist ein heute ein UNESCO-Weltnaturerbe und steht unter Schutz.
An Mary Anning und Elizabeth Philpot erinnert ein kleines Museum in Lyme Regis mit Fundstücken ihres aufregenden Lebens an der windumtosten Steilküste.
Bettina Wurche